Studio Festen – Räume für die Ewigkeit - séduction Magazin Schweiz
DESIGN

Studio Festen – Räume für die Ewigkeit

Von Redaktion 17. April 2023
Credit: Raphaël Dautigny
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In gerade einmal zehn Jahren haben sich Charlotte de Tonnac und Hugo Sauzay mit ihrem STUDIO FESTEN in Paris als feste Größe in der Welt des Designs etabliert. Sie verstehen sich darauf, historische Räume besonders elegant einzukleiden. Ein Gespräch mit Hugo Sauzay über unverwechselbare Räume, die alle Zeit zu überdauern scheinen.

Sie kommen aus Frankreich, Ihr Studio trägt einen dänischen Namen: „Festen“. Warum?

Der Name kann mit „Fest“ oder „Festmahl“ übersetzt werden. Er bedeutet etwas Essenzielles: Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen, an einem großen Tisch, mit Kerzen, gutem Essen und guten Gesprächen. „Festen“ steht für Geselligkeit. Wir fanden, dass es perfekt zu unserer Vision von Innenarchitektur passt: Unsere Interieurs sollen Orte zum Leben sein, keine konzeptuellen Showrooms.

Ich dachte schon, es hätte etwas mit dem Film von Thomas Vinterberg zu tun.

Wir lieben den Film, aber falls es Parallelen gibt, dann eher zum Genre als zum Inhalt. Bei Dogma-Filmen geht es ja darum, den Film so natürlich wie möglich zu produzieren, ohne etwas Künstliches hinzuzufügen. Bei uns ist es dasselbe: Wir verwenden nach Möglichkeit natürliche Materialien und lassen den Handwerkern Raum für eigene Interpretationen und Entwürfe. Wir versuchen, so ehrlich wie möglich zu sein und Räume zu schaffen, die keine Pastiche sind.

Sie sind nicht nur beruflich, sondern auch privat ein Paar. Wie lange kennen Sie sich schon?

Seit zwölf Jahren.

Und was war zuerst da, die Liebe oder die Arbeit?

Die Liebe. Wir haben uns im letzten Jahr unseres Architekturstudiums an der École Camondo in Paris kennen- gelernt. Da waren wir Freunde, mehr aber auch nicht. Dann entspann sich eine klassische Liebesgeschichte, und dann haben wir die ersten Räume eingerichtet: zuerst eine Wohnung im 7. Arrondissement für einen Freund, dann ein Haus auf Korsika. So kam alles zusammen.

In der Branche und vor allem in Frankreich unterscheidet man ja gern zwischen Innenarchitekten und den sogenannten „Décorateurs“, die sich vor allem um ästhetische Belange kümmern. Wo bewegen Sie sich auf der Skala?

Wir beginnen jedes Projekt als Innenarchitekten. Denken über das Licht nach, über die Menschen, die an dem Ort leben werden. Danach kommt die Dekoration. Die Auswahl eines guten Löffels oder Tellers für das Abendessen. Ohne das eine gibt es das andere nicht. Das Ziel unserer Arbeit ist es, einem Raum eine Seele und eine Atmosphäre zu geben.

Klassisches Haussmann-Appartement in Paris, Credit: François Coquerel

Wie sieht Ihr Arbeitsprozess aus?

Der Ausgangspunkt für jedes Projekt ist immer der Kontext, die Geschichte eines Ortes oder der Lebensstil seiner Bewohner. Es ist wichtig für uns, die Atmosphäre aufzunehmen, mit den Leuten zu sprechen, zu flanieren, zu schauen. Gerade arbeiten wir an einem Projekt in Kopenhagen, wo wir die letzten Tage damit verbracht haben, eine Bustour zu machen und alle öffentlichen Plätze zu besuchen. Wir sehen uns auch Privatwohnungen an und probieren zu verstehen, wie die Menschen wohnen.

Und dann?

Versuchen wir, alles in einem Moodboard abzubilden, das von abstrakten Beobachtungen bis hin zu Kino-, Architektur- und Literaturreferenzen alles enthalten kann. Manchmal wird es von einem Text begleitet, der uns wie ein roter Faden durch das Projekt leitet. Im Idealfall schlagen wir eine Brücke von der Vergangenheit in die Zukunft und schaffen Räume, die die Zeit überdauern.

Sie waren Model für große Marken wie Cartier, Prada und Tod’s. Hat das Ihre Sicht auf die Dinge beeinflusst?

Das Modeldasein hat mir die finanzielle Freiheit gegeben, Festen mit Charlotte zu gründen. Ich wurde mit 17 entdeckt, kurz vor dem Abitur. Bevor ich Model wurde, hatte ich noch nie ein Flugzeug von innen gesehen. Und dann war ich plötzlich nur noch unterwegs, heute in New York und morgen in Tokio. Durch das Reisen entwickelte ich ein Auge für Details, lernte neue Perspektiven, neue Menschen kennen. Ich konnte einige Monate in Japan leben und habe mich Hals über Kopf in das Land verliebt. Charlotte und ich bewundern die japanische Ästhetik und Philosophie, die in jedem unserer Projekte auf kleine oder große Weise zum Tragen kommt.

Als Lieblingsbuch nennen Sie „Lob des Schattens“ von Jun’ichirō Tanizaki. Warum?

Es ist nur ein kleines Buch, aber es sagt viel aus. Es erklärt die Subtilität der japanischen Ästhetik, vom Essen bis zur Architektur. Jedes Detail hat in Japan einen Grund, aber nichts ist offensichtlich. Miso-Suppe wird zum Beispiel in einer Bambusschale serviert, damit das Gewicht spürbar wird. Schon der Titel des Buches ist sehr bedeutsam für uns: Denn Licht und Schatten spielen in unserer Arbeit eine große Rolle – ohne Schatten kein Licht. Heute versuchen die Leute, alles mit LED-Spots aufzuhellen, aber dann werden Räume schnell flach. Um die Details zu sehen, darf sich nicht alles auf den ersten Blick offenbaren. Wir setzen dimmbare, variable Lichtquellen ein. Denn wenn Sie schon beim ersten Betreten des Raumes alles erfassen, ist seine Wirkung in zwei Minuten verflogen.

Heutzutage werden Menschen auf Instagram und Pinterest mit einer Flut von Bildern konfrontiert. Stumpft das die Sinne ab?

Für mich ist Instagram ein gutes Werkzeug, aber es ist auch gefährlich. Man sieht ständig die gleiche Ästhetik. Peter Zumthor hat das mal gut zusammengefasst. Er sagte: Sie können in ein Studentenwohnheim gehen, in dem es nach Alkohol riecht, aber wenn die Atmosphäre stimmt, werden Sie sich pudelwohl fühlen. Oder Sie können in ein umwerfendes Hotel mit den schönsten Möbeln gehen, aber wenn das Licht flach und weiß ist, wollen Sie sofort wieder gehen. Jeder Ort hat eine Seele, und die spricht entweder zu Ihnen oder nicht.

Aber wie bringt man Atmosphäre in einem Raum? Nur mit Licht?

Man muss versuchen, ehrlich zu sein – einen Ort zu schaffen und kein Bild. Wir haben Respekt vor den Räumen, in denen wir arbeiten. Wir lieben es, wenn Epochen einander gegenüberstehen, und wir mischen gerne die Genres, lassen den Raum atmen und das Licht hereinscheinen. Wir versuchen stimmungsvolle Räume zu schaffen. Und wenn Beobachter den Eindruck haben, als ob wir nichts getan hätten – dass die Dinge also schon immer so waren, obwohl wir manchmal fast alles abgerissen haben –, dann haben wir alles richtig gemacht.

So sind Sie auch beim Hotel „Rochechouart“ an den Stufen des Montmartre in Paris vorgegangen.

Das Gebäude hat eine majestätische Art-déco-Fassade, es ist fast 100 Jahre alt. Aber die Zimmer waren im Laufe der Jahre ohne jeglichen Zusammenhang umgebaut worden. Einige historische Dekorationselemente steckten hinter Gipskartonplatten, nur die Brasserie hatte viele ihrer Vorzüge – Stuck, Volumen, Mosaike – behalten. Wir wollten diesen Ort wieder zum Leben erwecken, ohne ihn wie eine schlechte Kopie aussehen zu lassen. Wir haben viel recherchiert und uns von alten Opiumbars inspirieren lassen: gedämpfte Atmosphäre mit weichen Sitzbänken, Samtvorhängen und stumpfen, fast verblassten Farben von Ockergelb über Bronzegrün bis Terrakotta. Wir wollten, dass die Leute denken, wir hätten nur eine Tischdecke entfernt, dabei haben wir vom Kopfteil bis zum Schreibtisch fast alles selbst entworfen.

Welche Halbwertszeit haben die Räume, die Sie einrichten?

Für mich ist Architektur ein Bindeglied zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Zwischen dem, was geschehen ist, was geschieht und was noch geschehen wird. Ich hätte also kein Problem damit, wenn ein Architekt, den ich mag, einen unserer Orte nimmt, ihn verändert, vielleicht einige unserer Details beibehält und ihn mit seiner eigenen Handschrift weiterentwickelt. Nichts ist von Dauer, aber je länger unsere Räume so bleiben, wie wir sie entworfen haben, umso authentischer war unsere Arbeit.

Hotel „Les Roches Rouges“ an der Côte d’Azur, Credit: Benoit Linero

Ihr Durchbruch kam vor fünf Jahren mit dem Hotel „Les Roches Rouges“ an der Côte d’Azur. Sind Sie dort schon denselben Grundsätzen gefolgt?

Das Hotel befindet sich in einem modernistischen Bau aus den 1950er-Jahren. Wir wollten das Leben der französischen Riviera der damaligen Zeit reinterpretieren, aber aus heutiger Sicht, keinen billigen Abklatsch. Leider wurde die Riviera durch die Urbanisierung so stark beschädigt, dass es kaum ästhetische Anhaltspunkte gab. Wir haben stattdessen die Codes von Eileen Grays benachbarter E.1027-Villa zitiert, die ähnlich simpel ist. Wir vergrößerten die Fenster, um die Aussicht für sich sprechen zu lassen, und fertigten viele Möbel nach Maß, weil das, was wir fanden, nicht unseren Erwartungen entsprach. In diesem Hotel fühlt man sich fast wie auf einem Schiff: Im Winter reicht die Brandung bis zum zweiten Stock.

Als LVMH anklopfte, haben Sie zugesagt: für das „Splendido Mare“ in Portofino.

Das „Splendido Mare“ war ein kleines Hotel im Hafen von Portofino. Obwohl es auch am Meer liegt, ist es ein ganz anderer Ort. Früher lebten in Portofino vor allem Fischer, also haben wir uns davon inspirieren lassen. Kopfteile mit Seilintarsien, Böden aus lackiertem Holz, Handmalerei und Carrara-Marmor sowie italienische Möbel von Carlo Buffa und Gio Ponti geben dem Haus einen italienischen, nautischen Touch.

Das „Splendido Mare“ im Hafen von Portofino; Credit: Mattia Aquila

In Paris haben Sie gerade für Thierry Gillier, den Gründer von Zadig & Voltaire, das „Château Voltaire“ fertiggestellt. Was hat es damit auf sich?

Das Hotel ist in den ehemaligen Büroräumen der Marke untergebracht. Thierry wollte einen Ort für Paris schaffen wie das „Mercer“ in New York oder das „Chiltern Firehouse“ in London. Das Hotel liegt ganz in der Nähe der Rue Saint Honoré und besteht aus drei Gebäuden, die miteinander verbunden sind, aber aus verschiedenen Epochen stammen, mit einer riesigen Deckenhöhe auf der einen Seite und Zimmern unter dem Dach auf der anderen. Es wirkt, als würden Sie eine Demeure aus dem 17. bis 18. Jahrhundert betreten, mit Gemälden, geblümten Teppichen, handgemalten Zierleisten, alten burgundischen Steinfliesen, elfenbeinfarbenen Vertäfelungen und Kassettendecken. Wir haben viele Details aus alten Schlössern übernommen. Die Eichenmöbel wurden etwa nicht lackiert, sondern gewachst. Das Hotel kehrt, wenn man so will, die Essenz der Stadt heraus.

Franck Durand, künstlerischer Leiter des Hotels, nennt Ihren Stil „wahrhaft französisch“. Würden Sie dem zustimmen?

Das ist schwer festzumachen, aber ich denke schon, dass wir einen französischen Stil haben, schon allein, weil wir die kulturellen Codes verinnerlicht haben. Unsere ästhetische Herangehensweise an Innenräume ist äußerst französisch: Wir arbeiten viel mit Holz, das Sie in vielen alten Häusern in Frankreich finden. Und wir mögen Textilien, auch in diesem Bereich hat Frankreich eine große Tradition. Wir nutzen diese Materialien nicht aus Snobismus oder Vergangenheitsliebe, sondern eher aus bäuerlicher Vernunft: Wir arbeiten fast ausschließlich mit Materialien, die mit der Zeit eine Patina bekommen. Wir mögen das Unvollkommene.

Das„Château Voltaire“ in Paris, Credit: François Halard

Und wie leben Sie selbst?

Gerade? Auf einer Baustelle! Wir sind vor Kurzem ins 1. Arrondissement gezogen, nahe des Palais Royal. Wir sind gerade dabei, die Wände fertigzustellen. Eine Holzküche wird das Herzstück der Wohnung – der Ort, an dem wir die meiste Zeit verbringen. Ansonsten haben wir nicht viele Möbel, ich brauche visuelle Ruhe zum Arbeiten. Aber ich umgebe mich gern mit Dingen, die mich an bestimmte Reisen erinnern. Vom Haus des Architekten Geoffrey Bawa in Sri Lanka habe ich einen Ziegelstein mitgebracht, der mich an den Mann und seine Denkweise erinnert. Wir lieben Objekte, die eine Geschichte erzählen.